ZitatDieser Artikel hat mich sehr berührt, deswegen schreibe ich Ihnen heute dazu. Meine Schwester und ich waren auch im Raphaelshaus in Dormagen untergebracht. Der Zeitraum (von 1970-74) überschneidet sich sogar mit dem des Herrn Wolf.
Eines kann ich schon vorweg berichten: Die vom Schreiber geschilderten Zustände sind nach meinem Kenntnisstand unwahr. Es gab zu dieser Zeit keine Gruppen mit 40 Kindern dort. Ich selbst war in der Rolandgruppe. Auch wenn ich mich nicht mehr an jeden einzelnen erinnern kann, so weiß ich aber noch, dass wir keine zwanzig Jungs waren. Ich pflegte während dieser Zeit auch Freundschaften zu Bewohnern anderer Gruppen, wo man ohne weiteres auch ein- und ausgehen konnte. Solche Kontakte waren durchaus zu dieser Zeit üblich und es hätte sich mit Sicherheit herumgesprochen, wenn in irgendeiner Gruppe körperliche Gewalt gegenüber Kindern ausgeübt worden wäre. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die geschilderte Starfaktion (In der brütenden Sonne stehen) unbemerkt geblieben wäre. Wir hatten größtenteils Bewegungsfreiheit auf dem gesamten Gelände und auch darüber hinaus. Zur damaligen Zeit war Direktor Wergen im Amt und der hätte solch eine Aktion nicht geduldet. Natürlich waren die Nonnen fest in ihrem Glauben verankert und wollten ihre Botschaft auch zu uns bringen. Auch in unserer Gruppe waren Tischgebete an der Tagesordnung. Der wöchentliche Kirchenbesuch gehörte eben auch zu unserer katholischen Erziehung (Bei mir hat sie nicht gefruchtet, weshalb ich aus gleichem Blickwinkel wie Herr Wolf berichten kann). Aber Gott wurde doch nicht als Schreckgespenst hingestellt. Die Strafe und auch Vergebung Gottes findet man doch schon in der Bibel, deshalb ist er doch kein Schreckgespenst. Das Essen schmeckte zugegeben miserabel, da stimme ich voll und ganz zu. Wer nichts gegessen hatte, musste eben Hunger bis zum Abendbrot schieben. Da die Versorgung aus der Hauseigenen Küche vorgenommen wurde, war es natürlich in anderen Gruppen nicht anders. Ich habe damals nie von Fällen gehört, wo das Essen „erzwungen“ wurde.
Zum Thema Liebesentzug möchte ich auch noch etwas schreiben. Meine Schwester und ich kamen aus einer Familie, in der die Mutter gerne und oft mit allem Möglichen auf Ihre Kinder eindrosch. Liebe gab es dort nicht – Neben den pädophilen Annährungen des Stiefvaters gab es außer Schläge auch andere seelische Grausamkeiten. Wir waren uns damals schon nach wenigen Tagen im Raphaelshaus einig, dass wir knapp der Hölle entronnen waren und bessere Zeiten anstanden. Es gab Erwachsene, die uns auch einmal zuhörten, die uns in den Arm nahmen, wenn es uns schlecht ging. Es waren Menschen um uns, die sich dafür interessierten, was wir machten. Die Erzieher waren mehr Freunde als Erzieher für uns. Natürlich gab es auch Konflikte, Missverständnisse oder Sanktionen, die nicht unbedingt zu unserer Zufriedenheit beitrugen. Aber so etwas gibt es heute und gab es damals in jeder Familie.
Inwieweit Akten verbrannt sind, vermag ich nicht zu sagen. Die Brände im Haupthaus sind aber nachweisbar. Ich selbst habe meine Akte (Das was das Feuer übergelassen hat) einsehen dürfen. Wenn ich dort Herr der Akten wäre, würde ich nicht jedem seine Akte zur Einsicht geben, denn unter umständen würde ich ihm damit keinen Gefallen tun. Ich weiß, dass meine inzwischen verstorbene Schwester die Akteneinsicht eher geschadet als genutzt hätte. Hier liegt es am Feingefühl der Leitung eine solche Akte herauszugeben oder eben nicht.
Zum Schluss möchte ich ihren Lesern zusammenfassend sagen, dass ich eine glückliche Kindheit im Raphaelshaus hatte. Es gab vielleicht Kinderheime, in denen die geschilderten Zustände herrschten. Aber nicht im Raphaelshaus zu meiner Zeit.
Mit freundlichem Gruß Ralf Gehlen
PS.: Wenn Sie noch Fragen haben, so dürfen Sie mich gerne kontaktieren. Ich würde mich darüber hinaus freuen, wenn Sie Ihre Serie über Kinderheime nicht nur mit negativen Berichten der Betroffenen ergänzen.